Fasten (FINK Artikel Februar 2017)

Nergiz EschenbacherKörper, Psychotherapie

Praxis für Psychotherapie Freising, Nergiz Eschenbacher

Seit Januar 2017 finden Sie unter der Rubrik „Geist und Seele“ im Freisinger Stadtmagazin FINK von mir beantwortete Fragen zu Themen rund um unseren Körper, Geist und Seele. Hier der aktuelle Beitrag im Original zum Herunterladen: http://www.fink-magazin.de/ausgaben/februar-2017/

Fasten

„Ist das richtig so? Erst Feiern und Völlerei, dann Fasten und Darben?“

Diese Vorgehensweise hört sich stark nach einer Überforderung an. Nicht nur, was wir unserem Körper hier zumuten, indem wir von einem Extrem ins Nächste springen, sondern ebenso uns selbst gegenüber. Brauche ich ein vorweggenommenes Belohnungsgefühl im Sinne von „wenn ich schon faste, dann aber nur, wenn ich mir vorher sehr viel gegönnt habe“, steckt dahinter ein bestimmtes Gefühl und das heißt „Mangel“. Wenn wir in diesen Gefühlsbereich kommen, gehen alle inneren Alarmglocken los, die in irgendeiner Form mit Verzicht konfrontiert waren. Also: alle Situationen des Verzichts, die wir ohne sie verhindern zu können durchstehen mussten. Automatisch geraten wir somit in ein Gefühl, dass ich hier tatsächlich an meine Grenzen kommen kann und „festsitze“ ohne eigene Möglichkeiten des „auszukommen“.

Es entsteht somit Stress und dieser wiederum führt zu unseren bisherigen Mitteln gegen solche Arten von Stressoren vorzugehen: vielleicht mit Essen oder Feiern? Das Loch zu stopfen, bevor es da ist, ist also ein Teufelskreis und kann beispielsweise darauf hindeuten, dass ich tief in meinem inneren gar nicht fasten will oder es mir sogar Angst macht. Hier sollte ich mir zunächst erlauben, dass vielleicht jetzt für mich nicht der passende Moment ist mit dem Fasten zu beginnen bzw. wenn ich bereits faste, dass ich jederzeit in wohlerdachten kleinen Schritten (in Absprache mit ÄrztIn/HeilpraktikerIn und den nötigen sogenannten Abbautagen) entscheiden kann mit dem Fasten (vorzeitig) aufzuhören. Diese unsere ureigene und selbstverantwortliche Entscheidung aus einem Mangelgefühl herauszutreten, haben wir zu jeder Zeit. Das gilt nicht nur für das Fasten, sondern auch viele andere Bereiche in unserem Leben. Einfacher für die Entscheidung Fastentage einzulegen, ist es tatsächlich mir zu vergegenwärtigen, was es mir für einen Gewinn, einen Nutzen und vor allem ein Wohlbefinden bringen kann. Wieso will ich überhaupt fasten? Was erhoffe ich mir dadurch?

Menschen, die bereits (mehrfach) erfolgreich gefastet haben, haben hier gegenüber AnfängerInnen natürlich voraus, dass sie wissen, nach der Fastenkrise (meist am zweiten oder dritten Tag) und den Kopfschmerzen, werde ich mich wundervoll freier, gestärkter, energiegeladener und vor allem klarer fühlen. Meine Stimmung wird sich heben und ich werde die Lust haben mich nicht nur körperlich (z.B. meine Ernährung), sondern mein alltägliches Leben neu zu ordnen und zu gestalten. „Entrümpelung“ auf allen Ebenen kann dadurch möglich werden.

„Bringt Fasten denn auch etwas für Geist und Psyche?“

Unbedingt. Wir dürfen unseren Körper und unseren Geist/unsere Psyche nicht getrennt voneinander betrachten. Sie bedingen sich gegenseitig. Ganzheitlichkeit ist hier das Zauberwort, das berücksichtig werden will. Dazu gibt es in den verschiedensten Fachbereichen immer wieder die neuesten Forschungsergebnisse. Beispielsweise arbeitet Prof.  Emeran Mayer in seinem Buch „Das zweite Gehirn: Wie der Darm unsere Stimmung, unsere Entscheidungen und unser Wohlbefinden beeinflusst“ heraus, das unser Darm einen weitaus engeren Austausch mit unserem Gehirn pflegt, wie bisher angenommen. Z.B. können die Bakterien der Darmflora über die vielen Nervenzellen an der Darmwand sich verbinden mit den Gehirnbereichen, die für unsere Gefühle zuständig sind. Beim Fasten wird dabei die Stimmung positiv durch Hormone, wie  z.B. Endorphine, Dopamin und Serotonin, die hier verstärkt ausgeschüttet werden, beeinflusst.

Ebenfalls ist es wichtig selbst bei psychischen Belastungen sich vorab durch einen körperlichen Gesamt-Check-Up zu vergewissern, dass nicht ein Mangel an wichtigen Nährstoffen die Ursache für (einen Teil) meiner Symptome ist. Selbst der Mangel an uns geläufigen Vitaminen, Spurenelementen etc. – wie Vitamin D oder Eisen –  werden von uns meist in ihrem Einfluss auf unseres seelische Wohlbefinden mit Kraftlosigkeit, Müdigkeit, Depressionen, Konzentrationsstörungen etc. unterschätzt. Da sich allerdings Körper und Psyche eben gegenseitig bedingen, kann seelischer Stress oder das Ausbalancieren von Verdrängtem (in Form von Depression, Ängsten etc.) für die Leere in unserem Körperspeicher verantwortlich sein. Somit können wir also umgekehrt unsere physische Körpergesundheit mit Seelenarbeit an uns und unseren inneren Themen, unterstützen. Ein gesundes Geben und Nehmen kann entstehen mit dem Ergebnis von Wohlgefühl und Gesundheit.

„Wie merkt man, dass man genug gefastet hat?“

Das hängt vor dem Hintergrund meiner körperlichen und psychischen Konstitution zum einen von der Empfehlung meiner ÄrztIn/HeilpraktikerIn ab sowie der Fastenform (z.B. Hellmut Lützner-Heilfasten, Buchinger-Heilfasen, Molkefasten, F.X. Mayr Fasten, Teefasten, Früchtefasten, Molkefasten), die ich vielleicht sogar wegen ihrer bestimmten Ablaufstruktur gewählt habe.

Geläufig ist wohl den Meisten das Fasten nach Lützner oder Buchinger, die zwei Entlastungstage mit leichter Kost, fünf Fastentage mit Gemüse-, Obstsäften, Brühe sowie zwei bis drei Litern Wasser täglich und drei Aufbautagen, beinhalten. Falls ich bereits mehrfach gefastet und Lust dazu habe, kann ich die Fastentage natürlich entsprechend meinem aktuellen Zustand verlängern oder auch verkürzen. Wenn eine so lange Fastenzeit für mich ein große Herausforderung bedeutet, gibt es – nach neueren Forschungen – die Möglichkeit ein bis zwei Saftfastentage in der Woche einzuplanen, um meinen Körper von der Verdauungsarbeit zu entlasten.

Wenn selbst das für mich nicht vorstellbar ist, kann ich mein tägliches Nachtfasten ausdehnen. D.h. zwischen meiner letzten Mahlzeit am Abend und meiner ersten am Morgen liegen mindestens 10  – 12 Stunden. Diese Ruhephase kann unser Körper für viele Regenerationsprozesse nutzen. Trotz Evolution und Kultivierung unserer Nahrung dürfen wir nicht vergessen, dass in der Basis unser Körper wie beim „Urmenschen“ funktioniert und dieser hatte aufgrund fehlender Möglichkeiten sich in Supermärkten einzudecken, notgedrungen immer wieder Fastenphasen erfahren. Die Vermutungen der Forschung vom Zusammenspiel unserer Nahrungsaufnahme und unseren Emotionen liegt vielleicht hier begründet, denn das durch Fasten entstandene kraftvolle Hochgefühl kann uns die Energie geben frohen Mutes zum Sammeln oder auf die Jagd zu gehen.

„Kann auch die Psyche fasten? Soll sie das sogar manchmal?“

Wenn wir jonglieren zwischen Familie, Partnerschaft, Kindern und/oder Berufstätigkeit, Vereinsarbeit, Freundschaftspflege und vielen anderen Verpflichtungen in unserem Leben, dann ist eine Fastenzeit für unser seelisches Wohlbefinden nicht nur Kür, sondern sollte sogar eine Pflicht sein. Bei Kindern nennt man diese Zeit „freies Spielen“. Hier haben Forscher sogar herausgefunden, dass dieses unerlässlich ist für die Gehirnentwicklung und seine so wichtigen Synapsenverschaltungen, als nur mit strukturiertem Lernen wie bisher angenommen.

Alleine einmal den Raum und die Zeit zu haben, dem eigenen Rhythmus entsprechend ohne Termine, in den Tag hinein zu leben und sich zu erlauben, was da sein will und wenn das heißt den ganzen Tag auf der Couch zu verbringen. Selbst unsere Freizeit wird immer mehr Freizeit zu einem Moment des schlechten Gewissens, weil „ich es nicht sinnvoll genutzt habe mit Sport oder Freundschaften zu pflegen oder an meinem Musikinstrument zu üben oder oder oder. Natürlich ist das Pflegen unseres sozialen Umfeldes oder das Nachgehen eines Hobbys bereichernd und sinnvoller Ausgleich unseres persönlichen Lebens. Dennoch kommt die reine, nicht durchgetaktete Zeit bei den meisten von uns viel zu kurz bis gar nicht vor. Die Begegnung mit mir kann allerdings nur in einem freien Raum geschehen, dass ich mir selbst erlaube und mir schaffe. Diese Momente, Stunden oder vielleicht sogar Tage (am Wochenende oder im Urlaub), die ich mir gönne, kann dann neuen Raum in mir schaffen, das bis dahin vollgestopft war mit Druck, Reizen verschiedenster Art und meiner inneren AntreiberIn.  Mein „Ich“ kann entspannen und der frei entstandene Raum will dann sogar vollgetankt mit neuer entspannter Kraft mit Neuem und Lebendigem aus der Welt da draußen gefüllt werden.

Immer wieder mal Zeiten des Entschlackens von Außenbestimmung einplanen und Fasten an den nicht enden wollenden Tätigkeiten, Strukturlosigkeit feiern, indem ich nichts tue, könnten hier unser Fastenleitsatz sein.

Achten Sie gut auf sich!

Herzlichst

Nergiz Eschenbacher

Verantwortungsvoll Fasten bedeutet mich vorab zu informieren und vorzubereiten:

  • Absprache (z.B. ob ich zum Personenkreis gehöre, die nicht fasten sollten, wie z.B. weil ich krank bin, schwanger bin oder ein zu geringes Körpergewicht habe, Körpercheck-Up und Begleitung des Fastens mit ÄrztIn/HeilpraktikerIn
  • Entscheiden, welche von den vielen Fastenarten, spricht mich an und überfordert mich nicht
  • Bewusst sein, dass ich mit körperlichen Beschwerden (die sogenannten Fastenkrisen, wie Müdigkeit, Schwindel, verminderte Konzentrationsfähigkeit erhöhtes Kälteempfinden etc.) rechnen muss
  • Bewusst sein, dass ich mit psychischen Beschwerden (wie Trauer/Tränen, Verdrängtes, Ängste etc.), die wir im Alltag unterdrücken) rechnen muss
  • Die sogenannten Entlastungs- und Aufbautage ernst nehmen und durchführen.
  • Lust darauf haben ohne mich überfordert zu fühlen
  • Mich freuen, wenn es erfolgreich klappt und ich aus Klarheit und Kraft schöpfen darf