Miteinander Reden

Nergiz EschenbacherPsychotherapie

Miteinander Reden, Praxis für Psychotherapie Freising, Nergiz Eschenbacher

Miteinander Reden

Scheint so einfach – und ist so schwer. „Reden ist Silber und Schweigen ist Gold“, ist vielfach in unserer Gesellschaft die Devise. Vor allem (leider), wenn es um unsere Gefühle geht. Es fällt uns ungemein schwer diese in die richtigen Worte zu fassen. Wenn wir dafür Gründe finden wollen, dann ist es einfach: Ich will niemanden verletzen;  sind meine Gefühle berechtigt; vielleicht liege ich falsch; er/sie hat es doch nicht so gemeint oder sogar gut gemeint; er/sie weiß es nicht besser; ich verstehe den/die andere; es ist doch unnötig, viel Aufhebens zu machen; was regst Du dich so auf; ich habe doch kein Recht dazu; was du immer willst; oder ich weiß tatsächlich gar nicht über „welche Gefühle“ ich da reden soll, weil ich gar keinen Zugang zu mir und meinen tiefen Empfindungen finde.

Kommunikation ist erlernt

Gefühle zu haben und sie nicht mitzuteilen vs. gar nicht die eigenen Gefühle zu spüren, um sie überhaupt aussprechen zu können, haben zumeist eine ähnliche Ursache: wir haben es so gelernt! Wenn wir herausfinden möchten, wieso wir auf diese und jene Weise mit Kommunikation oder fehlender Kommunikation umgehen, dann können wir in die Strukturen unseres Gewordenseins blicken. Wurde in dem familiären System in dem ich groß geworden bin, viel oder wenig über Gefühle geredet oder gab es sogar ein Tabu, dass diese gar nicht sein durften, geschweige denn ausgesprochen werden konnten. Beispielsweise kann uns dies bei Menschen aus der Kriegsgeneration begegnen, wo das Funktionieren und die eigenen Bedürfnisse hintanstellen, überlebensnotwendig waren. Allerdings haben diese wiederum Kinder und Enkelkinder, in denen dieses Verbot nachhallen kann. Dies wird in der Fachsprache: „Transgenerationale Weitergabe von Traumata“, genannt.

Eigene Kommunikation beoachten

Falls mir dieser Blick aus familiärer Perspektive schwer fällt, kann ich meiner erlernten Form der Kommunikation näher kommen, in dem ich mich selbst beobachte und frage, wie es mir geht, wenn mir gegenüber Gefühle offen geäußert werden. Empfinde ich sie als Vorwurf; wehre ich sie sofort mit Floskeln ab; überfordern sie mich; machen sie mich misstrauisch; habe ich sofort das Gefühl für diese zuständig zu sein und die Verantwortung dafür tragen zu wollen; ist mein erstes Gefühl: „Schuld!“; fühle ich mich angegriffen in meiner Person; fühle ich mich unwohl dabei, wenn jemand weint oder wütend wird; kann ich meine Freude über Geschenke zeigen; finde ich alles, was mit Gefühlsausdruck zusammenhängt als anstrengend…usw. Denn meine Art mit Gefühlen umzugehen, ist die Art, wie wohl mit meinen Gefühlen umgegangen worden ist, ansonsten hätte ich es so nicht verinnerlicht. Oder es wurde mir auf diese Art und Weise vorgelebt oder vielleicht sogar von mir (unausgesprochen) erwartet .

Not der „Nicht-Kommunikation“

Was passiert aber, wenn wir unsere tatsächlichen Bedürfnisse und Gefühle nicht mit den Menschen teilen, mit denen wir es in der Partnerschaft, in der Familie, in Freundschaften und beruflichen Beziehungen alltäglich zu tun haben? Wie funktioniert trotzdem unser Zusammenleben? Über viel Vorstellungskraft und unseren unbewussten Erwartungen an uns und andere. Vielfach gelingt das auch. Dennoch finden wir uns immer wieder in Situationen, die es mit mehr Kommunikation auf diese Art nicht gegeben hätte.  Spätestens seit dem Film „Das weiße Band“ (vom österreichischen Filmregisseur Michael Haneke) wissen wir, dass unsere Vorstellung über die nicht gezeigten, aber angedeuteten Gewaltsituationen, viel beklemmender sein kann, als wenn wir sie gesehen hätten. D.h. mehr Kommunikation würde uns Klarheit geben. Sie bekommt in unseren Gefühlen und Gedanken eine Eigendynamik, die viel schlimmer oder bedrohlicher ist, als es den Tatsachen oft wirklich entspricht. Wer kennt nicht diese schlaflosen Nächte, des Umherwälzens über Motive und Absichten anderer – aber ohne eine Gewissheit, da wir sie nicht in einem offenen Gespräch hinterfragt haben.  Mehr Klarheit über ein Miteinander Reden hingegen gibt uns die Sicherheit, die sich so wunderbar wohltuend in unseren Beziehungen anfühlen kann.

Wir alle lernen zu sprechen und wie groß ist die Freude von Eltern bei dem ersten Wort „Mama“, „Papa“ oder „Nein“. Wir haben aber selten gelernt, über unsere eigentlichen Gedanken, Befürchtungen, Gefühle so zu sprechen, dass es für uns selbst und andere „zu – hören“ ist. Denn viele von uns sind es nicht gewohnt ihre (wahren) Gefühlen zu zeigen. Tun wir es begleiten uns Scham, Schuld und Schande. Darunter liegen neben dem Erlernten, meist wichtige Überlebensmechanismen, die es gilt zu entlarven. Vor allem, wenn unser Leben und seine Umstände es, z.B. in einer Ehe (-krise), im beruflichen Rahmen oder in unserer Lebensqualität,  notwendig machen, da unsere bisherige Form der Kommunikation nicht mehr so gut gelingt.

Der Schlüssel: Vertrauen in meine Wahrnehmung und Gefühle

Vertrauen Sie darauf, dass Sie selbst, jederzeit ihre Gefühle und den Ausdruck von diesen gestalten können. Gefühle sind Potentiale und Fähigkeiten unserer Seele. Diese unterliegen den gleichen Gesetzmäßigkeiten, wie z. B. unser Körper. Wenn wir eine neue Sportart erlernen wollen, dann wissen wir, das kann uns mit viel Training und wiederholter Übungen gelingen. Gleiches gilt für unsere Gefühle und ihren Ausdruck. Denn diese machen uns zum Menschen und menschlich – also lebendig. Wir können unser Leben auskosten, wenn wir uns spüren. Spüren wir uns, dann erst können wir auch die anderen Spüren und die Welt mit all ihren Angeboten und Möglichkeiten.

Der Konstruktivismus – aus dem philosophischen Wissensgebiet – z.B. behauptet, dass es gar keine für uns wahrnehmbare objektive Welt gibt. Denn alles was wir sehen, fühlen, wahrnehmen, können wir immer nur subjektiv erleben und bewerten. Anders ausgedrückt: nur vor dem Hintergrund unserer eigenen persönlichen Geschichte können wir die Welt aus diesem Filter unserer eigenen Erfahrungen und erlebten Gefühle, sehen, erkennen, einschätzen, erfahren und benennen. Und die objektive Welt, von der wir alle so selbstverständlich ausgehen, gibt es nicht. Sie entsteht laut Konstruktivismus unter anderem, weil mein eigenes (subjektives) Erleben, erst wenn sie von mir benannt – also ausgesprochen wird – von anderen bestätigt werden kann. Über Sprache Dinge benennen und uns gegenseitig bestätigten, formt also (laut Konstruktivisten) unsere Welt.

Die Lösung: Miteinander Reden

Hier kann der Umkehrschluss nur sein, wenn ich nicht kommuniziere, ist es mir weder möglich die „objektive“ Welt noch darin mein eigenes Leben mitzugestalten. Ich bleibe in einer Rolle, die es mir nicht ermöglicht mein Leben und meine Beziehungen darin lebendig zu gestalten. Auszusprechen „was ich nicht will oder was ich will“, „was mir nicht gefällt oder gefällt“, „was mich traurig oder glücklich macht“, „was mich (vor Angst) lähmt oder voller Freude erfüllt“, „was mich ärgert oder begeistert“…etc. ist der Schlüssel zur Gestaltung meiner „kleinen“ ebenso wie der „großen“ Welt mit einer großzügigen Prise menschlicher Lebendigkeit. Also: Nur Mut!